
Hufrehe
Die Hufrehe zählt zu den wichtigsten und schmerzhaftesten orthopädischen Erkrankungen des Pferdes. Es handelt sich dabei um eine diffuse, aseptische Entzündung der Huflederhaut. Sie kann auftreten bei stoffwechselbedingten, systemischen Allgemeinstörungen oder auch als Folge einer mechanischen Überbelastung einer oder mehrerer Gliedmaßen.
Häufige Rehepatienten sind übergewichtige Pferde sowie untrainierte Tiere (z. B. Ponys und Esel). Aus einer akuten Hufrehe kann eine chronische Hufrehe hervorgehen, die von akuten Schüben begleitet sein kann. Pferde, die einmal an Hufrehe erkrankt sind, können trotz Genesung zeitlebens rückfällig werden, wobei die Rezidivrate bei nicht behobenen auslösenden Faktoren besonders hoch ist.
Die akute Hufrehe
Die Initialphase ist eine klinisch nahezu symptomlose Phase, die häufig unbemerkt bleibt. Je nach Ursache kann sie wenige Stunden bis mehrere Tage (z. B. bei systemischen Erkrankungen) andauern. In dieser Zeit kommt es zur Schädigung der Hufstrukturen, insbesondere des Aufhängeapparates, ohne dass bereits Schmerzsymptome auftreten. Allmählich verschlechtert sich der Allgemeinzustand, und es tritt eine vermehrte Pulsation der Gliedmaßenarterien auf.
In der zweiten Phase, der Entzündungsphase, zeigt das Pferd deutliche Symptome: Der Allgemeinzustand ist stark reduziert, die Futteraufnahme vermindert oder ganz eingestellt. Das Pferd nimmt eine typische Entlastungshaltung ein: Sind die Vorderhufe betroffen, werden diese weit nach vorne gestellt, um das Gewicht auf die Hintergliedmassen zu verlagern. Dabei tragen vor allem Ballen, Strahl und Trachten das Gewicht. Bei Beteiligung der Hinterhufe werden diese weit unter den Schwerpunkt des Körpers gestellt. Charakteristisch ist, dass die Gliedmassen wechselseitig entlastet werden und das Aufheben eines Beines kaum möglich ist. In schweren Fällen kann es zum Festliegen kommen; bedingt durch die starken Schmerzen zeigen die Tiere kolikartige Symptome.
Akute Hufrehe – Typisches klinisches Bild
Pferde mit akuter Hufrehe zeigen ein charakteristisches Gangbild: kurze Schritte, kurzes Abheben der Hufe. Die Patienten versuchen, die schmerzenden Zehenwände zu entlasten und fussen auf den Trachten – das sogenannte Trachtenfussen. Typisch ist auch das „Zehenschleudern“. Beim Wenden heben die Pferde die Vordergliedmassen seitlich an, während die
Hintergliedmaßen stehen bleiben – ein Ausdruck des starken Wendeschmerzes. Auf weichem Untergrund erscheinen die Symptome abgeschwächt. Die Hufzangenprobe ist äußerst schmerzhaft, die Hufe meist deutlich wärmer, insbesondere im Bereich des Kronrands. Die Pulsation der Gliedmassenarterien ist verstärkt. Bei hochgradiger Schädigung der Lederhaut kann sich die Hornkapsel ablösen – es kann zum Ausschuhen kommen.
Die chronische Hufrehe (subklinische Hufrehe)
Hierbei ist der Allgemeinzustand meist ungestört. Das charakteristische Gangbild ist in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden; Trachtenfussung durch festgewachsene Trachten kann deutlich ausgeprägt sein.
Typische Hufveränderungen je nach Schweregrad und zeitlichem Abstand zum akuten Schub:
- Verminderte Hornqualität
- Verbreiterte weisse Linie
- Zusammenhangstrennungen innerhalb der Zehenwand
- Blutige Verfärbungen der Zehensohle
- Hohe und lange Trachten
- Konvergierende Ringe im Zehenwandbereich
- Knollenartige Verformung der Hornkapsel („Knoll- bzw. Rehehuf“)
Akuter Schub einer chronischen Hufrehe (chronisch-rezidivierende Hufrehe)
Pferde mit chronischer Hufrehe können unter bestimmten Umständen einen akuten Reheschub erleiden. Der Allgemeinzustand ist dann meist nur leicht gestört. Typisch sind wieder ausgeprägte Trachtenfussung, Wendeschmerz, verstärkte Pulsation der Arterien und schmerzhafte Hufzangenprobe. Die Hufveränderungen entsprechen meist denen der chronischen Hufrehe.
Welche Faktoren begünstigen eine Hufrehe?
- Übergewichtige Pferde mit Stoffwechselproblemen wie Insulinresistenz, Diabetes mellitus, Zuckerunverträglichkeit oder equines metabolisches Syndrom (EMS)
- PPID (Pituitary Pars Intermedia Dysfunction, früher ECS/Equines Cushing-Syndrom) bei älteren Pferden
- Übermässige Aufnahme von Kraftfutter oder jungem Gras („Fütterungsrehe“)
- Nachgeburtsverhalten bei Zuchtstuten, Koliken, Vergiftungen oder bestimmte Medikamente
- Mechanische Überbelastung durch Training auf hartem Boden oder falsche Belastung
Diagnose
Die Diagnose wird mittels klinischer und radiologischer Untersuchung gestellt. Wichtige klinische Befunde sind:
- Verstärkte Pulsation der Arterien
- Typisches Gangbild
- Schmerzreaktion auf die Hufzangenprobe
Radiologisch kann eine Hufbeinrotation oder Hufbeinsenkung festgestellt werden. Die Abweichung der Parallelität von Hufbein zu Hufwand weist auf die Rehe hin.
Venographie: In Spezialfällen kann eine digitale Venographie zur Darstellung der Hufdurchblutung eingesetzt werden, um Prognose und Schweregrad zu beurteilen.
Therapiegrundsätze
Hufrehe ist ein absoluter Notfall und muss sofort behandelt werden. Eine frühzeitige Therapie verbessert die Prognose erheblich.
Massnahmen:
- Weiches Einstreuen und absolute Ruhe
- Kühlung der Hufe mit Eisschuhen
- Keine Bewegung bis zum Abklingen der Symptome
- Reduktion des Raufutters, kein Kraftfutter
- Je nach Schwere: Infusionstherapie
- Weiche Polsterverbände oder spezielle Schuhe (z. B. Nanric), um die Trachten zu erhöhen und den Zug der tiefen Beugesehne zu verringern
- Schmerzmedikation
- Gerinnungsprophylaxe durch blutverdünnende Medikamente oder Blutegel
Management von Hufrehepatienten
- Gewichtskontrolle und angepasste Fütterung
- Leichtes Training nach Abklingen der Symptome
- Radiologische Verlaufskontrolle
- Spezieller Beschlag: Entlastung der Zehenwand, Belastung über Strahl und Trachten (z. B. zurückgesetztes Stegeisen mit Zehenkappen und breitem Steg)
- In schweren Fällen: Durchtrennung der tiefen Beugesehne + Derotationsbeschlag
Komplikationen
- Rotation oder Nachrotation des Hufbeins
- Hufbeinsenkung
- Durchbruch des Hufbeins durch die Sohle
- Ausschuhen
- Chronifizierung oder Rezidive
Prognose
Vorsichtig bis zurückhaltend. Die Symptome sollten binnen 2–14 Tagen abklingen. Bei verzögertem Heilungsverlauf sind Komplikationen in etwa 10 % der Fälle zu erwarten.
Prophylaxe
- Gewicht: Regelmässige Kontrolle, ggf. Gewichtsreduktion
- Training: Massvolles, angepasstes Bewegungsprogramm
- Fütterung: Bedarfsgerechte Ernährung, langsame Umstellungen, Vorsicht bei Weidegang
- Allgemeinerkrankungen:
- Frühzeitig erkennen und behandeln